Leben mit Kind(ern)

Rhythmen, Rituale und Bindungsorientierung

Rhythmen und Rituale für Kinder -passt das in denselben Atemzug mit einem erziehungsfrei – bindungsorientierten Familienalltag? Ein selbstbestimmtes Kind kann schließlich schlecht in starre Rituale gezwängt werden, oder?

Nur ein paar Rituale haben wir behalten:

Kleine. Liebevolle. Gemeinsame.

Rhythmen und Rituale für Babys

Ich glaube, es gehört zum elterlichen Instinkt dazu, erstmal ganz viele Rituale zu schaffen. Denn: Rituale geben Sicherheit und Orientierung. Wiedererkennbare Abläufe. Wenn ein Kind auf die Welt kommt, kennt es sich nicht aus. Da sind fixe Orientierungspunkte der Renner. Ein Baby ist darauf angewiesen, von den Eltern in den Alltag integriert zu werden.

Wir hatten das auch alles.

Morgens nach dem Aufstehen haben wir Musik angemacht und Nana angezogen. Abends wechselten wir wieder auf den Schlafanzug, spielten dabei leise gute Nacht Lieder. Die Jalousie runterziehen leitete die Nacht ein. Auch wenn das Wechseln auf andere Kleidung faktisch natürlich totaler Unsinn war, es gehörte zum Abend dazu, den wir davon abgesehen ohne feste Schlafenszeiten verlebten. Schlafrhythmen entwickelten sich. Sonntags war Badetag. Mit der Beikost kamen wieder Rhythmen dazu. Nach dem Mittagsbrei gingen wir spazieren. Zum Abendbrei waren wir spätestens wieder zuhause. Und danach wurde das Licht schon gedimmt.

Ungefähr mit einem Jahr war unser Alltag VOLL von Ritualen und Rhythmen. Rituale allerdings, die größtenteils WIR geschaffen hatten.

Rituale verändern, die verändert werden müssen. Behalten, was uns guttut. Zwang, Rituale durchdrücken, das gab es hier nie.

Rücksicht und Einbezug von Geburt an macht für mich wesentlich Bindungsorientierung aus. Immer auch aufs Kind hören, statt meine, fremdbestimmt für sie festgelegten, Rituale durchzuboxen. Achtsam sein.

Verändern, wenn Veränderungen notwendig sind. Behalten, was guttut.

Wenn Rituale angenommen werden, ist das prima. Es ist nicht übergriffig, wenn wir das Angebot machten, sonntags zu baden, und es angenommen wird. Es wäre übergriffig, wenn ich mein Kind jeden Sonntagabend mit Wasser überschütte, obwohl sie strampelt und sich wehrt. Es war auch nicht falsch, dass meine Tochter eine Zeitlang in ihrem Zimmer einschlief. Wir machten das Angebot unverbindlich. Sie nahm es an. Und wir machten es anders, als sie uns zeigte, dass sie es so nicht mehr mochte: Heute schlafen wir im Familienbett. Und irgendwann nicht mehr. So wie bei ALLEN Ritualen und Rhythmen, die eines Tages das letzte Mal passieren, und wenn du es merkst, ist es schon vorbei und anders.

Rituale für Kinder müssen flexibel sein.

Rhythmen auch; wir sollten zumindest versuchen, nur notwendige Rhythmen vorzugeben – etwa an Arbeitszeiten gebundene Strukturen.

Rituale für Kinder

Dass schwierige ist, finde ich, wenn es Eltern nicht gelingt, wohldurchdachten Rituale loszulassen. Das macht es fürs Kind zum Hürdenlauf, einen selbstbestimmten Weg einzuschlagen, den Eltern sich ja am Ende doch ALLE für ihre Kinder wünschen. Paradox, nicht wahr?

Unsere Tochter lebt nicht nur erziehungsfrei, sondern in vielen Bereichen auch von klein auf selbstbestimmt. Das bedingt sich teilweise. Wobei die Coregulation sich individuell stark von Familie zu Familie unterscheiden kann. Ein unerzogenes Kind kann durchaus auch medienfrei aufwachsen.

Was für mich Selbstbestimmung ausmacht, sind drei Dinge:
1) Meinem Kind die Möglichkeit geben, Dinge kennenzulernen. Das kann zum Beispiel auch durch neue Ritualen passieren.
2) Meinem Kind die Möglichkeit geben, etwas abzulehnen.
3) Meinem Kind die Möglichkeit geben, ihre Bedürfnisse wahrzunehmen und kennenzulernen, d.h. auch ausprobieren.

Rituale, die im Babyalter von außen herangetragen werden, können mMn im Kleinkindalter nicht generell einfach durchgezogen werden, ohne die Selbstbestimmung des Kindes zu verletzen. Wenn ein Kind zeigt: Ich will das SO nicht mehr, finde ich es falsch, es beizubehalten. Das Ritual also anzuerziehen. Feste Schlafenszeiten und Abendabläufe zum Beispiel. Klingt total logisch. Ich lese trotzdem leider oft von Eltern, die sich ärgern, weil das anderthalbjährige Kind nicht mehr um sieben schläft und Theater beim Zähneputzen macht, obwohl sich am Ritual und Rhythmus ja gar nichts verändert habe!

Unsere Rituale waren nie starr.

Viel mehr sehe ich unsere ersten Rituale als sorgsam ausgewählte Startpunkte, von denen aus unsere gemeinsame Reise in BEziehung startet.

Darin sehe ich den wesentlichen Unterschied zwischen anerzogenen Ritualen für Kinder (und Rhythmen), und solchen Ritualen im bindungsorientierten Familienalltag: Unsere Rituale sind nicht fremdbestimmt festgelegte Einschränkungen und Anweisungen. Es sind Orientierungspunkte, Angebote, die wir gemeinsam weiterentwickeln.

Rituale und Selbstbestimmung: Braucht es Rituale überhaupt?

Rhythmen, Rituale und Bindungsorientierung | Unverbogen Kind Sein

Meine Tochter ist jetzt zwei Jahre alt. Je mehr sie sich verständigen konnte, umso mehr bestimmte sie die Rituale mit. Entwickelte Neue. Veränderte Alte. Aber vor allem: Schaffte sie ganz viele auch einfach ab. – Unsere Rituale passen sich im besten Fall, an die Bedürfnisse und Wünschen aller Beteiligten an. Mit Ritualen ist das nämlich so: Sie sollen da sein, damit es und gut geht, sie sollen Geborgenheit vermitteln; nicht aus irgendeinem Prinzip heraus da sein, um Struktur zu lernen. Sie sollen uns einander NAH bringen, und uns nicht in der ERziehung voneinander trennen.

Heute haben wir zB keinen festen Rhythmus mehr beim Essen. Wir essen so, wie es in den Tagesablauf passt. Beikostfahrpläne haben wir über den Haufen geworfen, als wir merkten, dass unser Kind das gar nicht so braucht. Manchmal hat Nana noch keinen Hunger, wenn wir frühstücken. Dann isst sie einfach später. Eine Zeitlang hat sie jeden Morgen den Tisch deken wollen. Irgendwann ließ das wieder nach. Auch weil sich die Esssituation am Morgen veränderte, wir statt am Tisch vermehrt auf der Couch frühstücken. Feste Schlafenszeiten haben wir eh keine, Nanas Rhythmus hat sich ein paar mal neu eingependelt. Ein Abendritual gibt es auch: Abends gehen wir ins Familienbett, spielen dort noch eine Sache bis Nana müde wird, dann lesen wir noch eine Geschichte. Gebadet wird ganz unregelmäßig. Manchmal morgens, manchmal abends. Manchmal an vier Tagen hintereinander, manchmal drei Tage gar nicht. Selbstbestimmt eben.

Ein schönes Ritual hat sich in den letzten Wochen entwickelt:

Vor einiger Zeit haben wir angefangen vorm Schlafen zu sammeln, was wir schönes an dem Tag gemacht haben. Ein kleiner Rückblick sozusagen, ein Verarbeiten des Tages. Es gibt keinen festen Zeitpunkt dafür, irgendwann stimmt Eine*r es immer an. Und das ist im Moment einfach total schön.

Viel mehr Rituale fallen mir gar nicht ein. Vermutlich haben wir im Vergleich zu anderen Familien tatsächlich ziemlich wenige Rituale -und Rhythmen haben wir, bis auf eingependelte Schlaf-/Aufstehzeiten eher gar keine festen. Ich weiß nicht, wie viel das wirklich mit Erziehungsfreiheit zu tun haben muss. Viel mehr liegt das wohl einfach an UNS. Ganz individuell.

Unser Hang zum kleinen Chaos. Und natürlich auch die Freiheit, nicht an feste Rhythmen durch Arbeit meinerseits und KiTa gebunden zu sein. Ich genieße das sehr, weiß ich doch, dass das nicht für immer so bleiben wird.

| Fiona

Ein Gedanke zu „Rhythmen, Rituale und Bindungsorientierung

  • Sehr schöner Artikel! Rituale sind sehr wichtig! Sie geben dem Leben Struktur und das ist vor Allem bei Kindern wichtig!

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