Hochsensibilität

(Gastbeitrag) Die Welt und wie hochsensitive Kinder darauf reagieren

Die Welt und wie hochsensitive Kinder darauf reagieren

| Gastbeitrag von Monika Bock

Die Autonomiephase kennen alle Eltern. Kinder üben in dieser Zeit den Umgang mit dem eigenen Willen, der Selbstbestimmung und sich  gegen die Eltern zu stellen. Auch üben sie den Umgang mit ihren Emotionen. Diese Phase ist ein wichtiger Entwicklungsschritt und sicher nicht der leichteste, weder für Eltern noch für Kinder. Diese Zeit geht einher mit Wutanfällen, Verweigerung, „Lass mich in Ruhe – Szenarien“, aber auch mit großer Freude und Erleichterung der Kinder, wenn sie etwas selber entscheiden können oder neue Fähigkeiten an sich entdecken.

In der Autonomiephase wachsen sie ganz besonders stark in ihrer Persönlichkeit. Unser Job als Eltern ist, die Kleinen dabei zu begleiten und zu beschützen ohne sie einzuengen.

Was hat die Autonomiephase explizit mit Hochsensitivität zu tun?

Nichts, alle Kinder durchleben diese Entwicklung. Allerdings ähneln die Reaktionen hochsensitiver Kinder auf eine Reizüberflutung generell sehr den Verhaltensweisen in der Autonomiephase.

Viele hochsensitive Erwachsene fühlen sich oft den Reizen ihrer Umgebung hilflos ausgeliefert und das trotz ihrer Lebenserfahrung und ihrem Wissen über die Vorgänge. Wie geht es wohl kleinen Kindern, auf die solche Eindrücke und Reize absolut ungebremst, ja, ich sage mal, eindreschen? Denn das tun sie! Diese Kinder haben keine Schutzschilder, noch keine Erfahrung, keine bewussten Strategien. Sie können nicht verstehen, was mit ihnen passiert, wenn ihnen alles zu viel wird.

In solchen Fällen, wenn es zu viel wird für die Kleinen, beginnt eine Stressreaktion, die das Stammhirn, auch Reptiliengehirn genannt, aktiviert. Früher einmal eine absolut notwendige Überlebensstrategie. Dieser älteste Teil unseres Gehirns kennt drei Reaktionen: draufhauen, flüchten, tot stellen.

Kommt euch das bekannt vor? Ein Kind, das sich auf einmal in sich zurückzieht, bei einer Familienfeier sich hinter den Eltern versteckt und um nichts in der Welt die lieben Verwandten begrüßen und ihnen Rede und Antwort stehen will? Ein Kind, das aus, wie es für Außenstehende aussieht, dem Nichts heraus, plötzlich aggressiv ist, schreit, um sich tritt, Dinge herumschmeißt? Ein Kind, das in Panik wegrennt?

Alle kognitiven Denkprozesse sind in diesem Moment runtergefahren, die Kinder oft nicht mehr erreichbar.

Welche Reize und welche Intensität eines Reizes zu viel sind für ein Kind, ist unterschiedlich. Erstens ist jedes Kind anders, auch anders in seiner Hochsensitivität, und zweitens kommt es auch auf die Tagesverfassung des Kindes im Allgemeinen, und was an dem Tag sonst schon alles geschehen ist, an.

Wenn ein Kind auf einmal ein Verhalten zeigt, das anders ist, als man es in dem Moment von seinem Kind eigentlich erwarten würde, dann hat das einen Grund.

Hochsensitive Kinder und die Verarbeitung von Sinnesreizen

Zu viele Menschen auf engem Raum, Hitze, Kälte, grelles Licht, ständiges auf das Kind einreden, eine, für das Kind, unangenehme Kleidung, Lärm, ein Essen, dessen Konsistenz dem Kind zuwider ist oder die Kombination verschiedener Sachen am Teller. Es kann auch der Staubsauger, das Geräusch des Dunstabzugs, das Radio sein, oder streitende Eltern. Oder das Gefiepe und Gepiepe, wenn zum Beispiel die Backbox im Supermarkt entleert werden muss, ein LKW rückwärtsfährt, irgendwo eine Alarmanlage angeht, oder bis man sich im Auto angeschnallt hat.

Viele Eltern denken auch, dass sie ihrem Kind etwas Gutes tun, wenn es ganz viele verschiedene Spielsachen hat, die immer sichtbar herumliegen in vollgestopften, offenen Regalen oder im Zimmer verteilt. — Nicht falsch verstehen, ich habe nichts gegen gutes Spielzeug, im Spiel lernen Kinder die Welt zu begreifen, Zusammenhänge herzustellen, motorische Geschicklichkeit. Mir geht es darum, dass es sein kann, dass das Kind dadurch, dass es ständig alle Möglichkeiten vor Augen hat, überfordert ist mit der Entscheidung, was es jetzt spielen will. Viele Kinder reißen dann alles Mögliche aus den Regalen, beginnen mit allem irgendwie zu spielen, aber ohne die Möglichkeit, sich in Ruhe auf eine Sache konzentrieren zu können. Meist endet es in einem Chaos und mit Frust.

Dem Kind wird dann vielleicht eine Konzentrationsschwäche unterstellt und man droht ihm, die Spielsachen wegzunehmen, weil es ja nicht ordentlich damit spielt oder man meint, dass sie das Kind eh nicht mag oder zu schätzen weiß.

Ein hochsensitives Kind wird nicht nur in bestimmten Entwicklungsphasen durch seine Emotionen vor Herausforderungen gestellt, sondern eigentlich täglich.

Mit der Zeit lernen sie mit vielen Dingen einen entspannteren Umgang.

Vor allem wenn sie dann bestimmte Zusammenhänge verstehen, wie, dass staubsaugen halt so klingt wie es klingt und es nachher dann wieder sauber ist, also eine positive Auswirkung hat. – Andere Dinge werden vielleicht nie gehen, wie bestimmtes Essen oder bestimmte Kombinationen von Nahrungsmitteln.

Ich kenne das von mir: Niemals würden es ein Joghurt oder eine anderer cremige Konsistenz in meinen Mund schaffen, wirklich niemals. Am liebsten sind mir Speisen, die nur aus ganz wenigen Zutaten bestehen, die man auch noch einzeln wahrnehmen kann. Meinen Kochstil könnte man als puristisch bezeichnen. Kunstvoll belegte Brötchen, für mich ein Graus, Aufwendige Cremetorten, bitte nicht. Speisen, wo man gar nicht mehr erkennt, was drin ist, müssen auch nicht sein. Ich bin jetzt aber erwachsen, kann mich also selbst um diese Eigenheiten kümmern. – Als Kind war das für mich eher ein Spießrutenlauf. „Na komm, kosten musst du es zumindest!“, „Na geh, jetzt hab ich mir so viel Mühe gemacht mit der Torte.“, „Du kannst doch nicht nur Nudeln essen!“, „Auf ein Brot muss ordentlich Butter drauf, das geht nicht, dass du nur die Poren verschmierst, das schmeckt doch nicht.“ Ich bin sicher, alle meinten es gut mit mir. Ich habe verweigert, das kam meistens nicht gut an, aber zu etwas zwingen, konnte ich mich noch niemals.

Die Herausforderung für Eltern besteht auch darin, dass die Kinder ihre Problematiken oft nicht benennen können, zumindest nicht so, dass bei uns der Groschen fällt.

Wie kannst Du Hochsensibilität bei Kindern erkennen? Mehr darüber erfährst Du HIER

Hochsensitivität von Kindern anerkennen und begleiten

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Eine Faustregel gibt es aber: Wenn ein Kind auf einmal ein Verhalten zeigt, das anders ist, als man es in dem Moment von seinem Kind eigentlich erwarten würde, dann hat das einen Grund. Diesen gilt es herauszufinden. Meist durch „Trial and Error“. Hundertmal nachfragen was denn jetzt los ist wird nichts bringen. Du kennst dein Kind, betrachte die Situation aus seinen Augen. Vielleicht kann es dir zeigen was nicht passt, vielleicht kannst du es erraten und das Kind sagt ja oder nein. Zeig auf jeden Fall, dass du merkst, dass das Kind jetzt gerade ein Problem hat. Oft hilft es auch mit dem Kind zuerst einmal den Schauplatz zu wechseln. In ein anderes Zimmer gehen, aus dem Geschäft rausgehen, was auch immer. — Es würde zu weit führen in diesem Beitrag näher auf den Unterschied zwischen einem Wutausbruch und einem Meltdown einzugehen.

Wenn jetzt der Gedanke aufkommt „Oh mein Gott, das ist ja alles schrecklich, das arme Kind“, bitte weg damit. Das ist es keineswegs.

Die Lösung ist, zu erkennen und dann zu akzeptieren, dass das Kind hochsensitiv ist. Immerhin haben rund 20% der Menschen diese besondere Wahrnehmungsbegabung und das von der ersten Sekunde an, also absolut kein Einzelfall. Leichter wird es, wenn man ein entsprechendes Umfeld schafft.

Bei der Beantwortung der Frage, wie das denn aussehen sollte, kann ein Familiencoaching sehr hilfreich sein. Der Blick von außen, von einer Person mit langjähriger, auch persönlicher Erfahrung, kann unterstützen und weiterhelfen.

Mit Hochsensitivität sind viele wunderbare, positive Fähigkeiten verbunden die das richtige Umfeld brauchen um sich entfalten zu können.

Herzliche Grüße, Moni Bock


Ich bin Monika Bock. Meine Hochsensitivität habe ich in unterschiedlicher Ausprägung an meine drei wundervollen Kinder vererbt.

Ich hatte schon als Kind immer das Gefühl, anders zu sein, keinen Anschluss zu finden, mehr zu erkennen als andere. Ich hatte auch schon immer mehr Interessen als andere. Das hinter all dem Hochsensitivität und eine Scanner-Persönlichkeit stecken, wurde mir erst bewusst, als eine Neurologin bei meiner Jüngsten feststellte, dass sie hochsensitiv ist.

Als Coach unterstütze ich heute Familien und Einzelpersonen bei Fragen zur Hochsensitivität und helfe bei Problemstellungen, die sich durch dieses Wesensmerkmal im Alltag, in Schule, Beruf oder Partnerschaft ergeben können. Ziel ist es immer, dass die Menschen das Positive an ihrer Hochsensitivität erkennen, schätzen und nutzen lernen. Mehr Informationen finden sie auf Bock auf HSP.

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