(Rezension) Inke Hummel „Mein Wunderbares Schüchternes Kind“
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Ich erinnere mich noch sehr genau daran, zu was für einem unerwarteten Desaster es führte, als wir Anfang vergangenen Jahres von unserer großen Tochter Passbilder für ihren Reisepass machen lassen wollten. klingt einfach. Wir hatten es ihr vorher erklärt, waren den Ablauf durchgegangen, und aufgeschlossen losgestiefelt. Natürlich wussten wir, dass sie schüchtern ist -das war uns in den letzten Jahren kaum entgangen. Wir hatten schon viele viele Situationen erlebt, in denen sie dicht machte, klammerte, nichts sagte, wenn jemensch sie ansprach: Beim Arzt, wenn fremde Kinder spontan Kontakt aufnahmen, sogar bei den Nachbarn. Aber dass es so unmöglich für sie sein würde, diese paar Fotos von einem (fremden) Fotografen machen zu lassen, überstieg doch total unser Verstehen.
Oder doch. Verstehen konnte ich sie schon. Nur eine Lösung hatte ich keine.
Ich bin selbst eher schüchtern. Das hat sich allerdings erst später, nicht so früh in der Kindheit bei mir entwickelt. Als Kind habe ich immer schnell Anschluss gefunden. Heute ist das anders, Ich würde sogar behaupten, ich neige zu einer Angststörung. Lange Jahre habe ich mir eingeredet, es wären Fremde, mittlerweile meine ich zu begreifen, dass es vor allem auch unbekannte Situationen sind, die mich ausbremsen. Im Unterschied zu meiner Tochter, bin ich aber Erwachsen, und habe Strategien entwickelt, mit meinen Ängsten umzugehen; der Alltag läuft also oft problemlos.
Als Inke Hummel nach ihrem ersten Streich „Miteinander durch die Pubertät“ als zweiten Ratgeber „Mein wunderbares schüchternes Kind“ ankündigte, war mir klar: Das würde unser Buch werden. Damals war N noch völlig in dieser Schüchternheit gefangen, und ich an einem Punkt, an dem ich mir manchmal doch schon etwas Sorgen machte.
Wie viel davon kam von mir? Und wie könnte ich N helfen, damit besser umzugehen? Brauchten wir doch Hilfe?
Inke Hummel: Mein wunderbares schüchternes Kind
TITEL: Mein wunderbares schüchternes Kind: Mut machen, Selbstvertrauen stärken, liebevoll begleiten
AUTORIN: Inke Hummel
VERLAG: Humboldt
UMFANG: 215 Seiten — ERSCHIENEN 2021
Schüchterne Kinder stärken: Impulse für betroffene Eltern
„Fordern, aber nicht überfordern! Fordern, aber nicht zwingen! Stress mindern! Lass dein Kind aktiv werden!“
Hummel, Inke: Mein wunderbares schüchternes Kind. Seite 22, 34, 58, 75, 86, 108, 110, 139, 182, 185, 195, 198 und 204
Gleich mehrfach in „Mein wunderbares schüchternes Kind“ erinnert Inke Hummel Eltern mit diesen Worten an die wichtigsten Pfeiler, um schüchterne Kinder zu unterstützen, ihnen Mut zu machen, ihr Selbstvertrauen zu stärken und sie in alle dem liebevoll zu begleiten, wie sie es im Untertitel verspricht. Im Fokus steht dabei der sanfte Schubs, das schaffen von Gelegenheiten ohne Überforderung und in immer zugewandter Begleitung. Flügel wachsen lassen mit sicheren Wurzeln also.
Viele geschilderte Situationen aus dem Baby, Kleinkind und Vorschulalter kannte (und kenne ich noch) von meiner großen Tochter. Sei es das ausgeprägte Fremdeln, die Verschlossenheit vor Fremden, besonders vor Ärzten oder auch vor anderen Kindern auf dem Spielplatz, aber auch Ängste, die sich zuhause einschlichen, wie eigentlich simple Raumwechsel.
Was mir vor diesem Hintergrund beim Lesen gleich besonders froh auffiel: Inke Hummel schreibt ein stärkendes, durchgehen positives Buch, das die Schüchternheit, die Ängste und alles, was Kinder ausbremst, erstmal als Wesensmerkmal gelassen annimmt.
Ein Kind ist, wie es ist. Und es ist gut, auch wenn es schüchtern ist, mit Situationen hadert oder einfach etwas mehr Zeit braucht. Es ist okay, wie es ist, solange es nicht für das Kind selbst zu einer echten Belastung wird!
Ein wunderbar versöhnliches Okay, das Eltern die Last abnimmt, irgendetwas ganz falsch gemacht zu haben, weil das eigene Kind schüchterner ist, als die anderen, ohne sie davon zu entbinden, da zu sein.
Im Ratgeber geht es darum, Eltern Perspektiven zu geben, ihre schüchterne Kinder zu verstehen, zu beobachten und sie dabei zu unterstützen, mit diesem Wesensmerkmal umzugehen, ohne ihre Kinder dabei zu überfordern oder andersherum überzubehüten.
Denn auch schüchternen Kindern sollen und werden Flügel wachsen.
Inke Hummel liefert betroffenen Eltern viele konkrete Tipps und Impulse für Handlungsideen: Etwa Situationen durchspielen, Rücken stärken, Talente fördern, und immer wieder (altersabhängig) Gespräche führen, um nur eine kleine Auswahl zu nennen. Sie vergisst dabei auch nicht, auf ernstzunehmende Ängste und Verhaltensentwicklungen achtsam hinzuweisen, für die professionelle Hilfe natürlich hinzugezogen werden sollte.
Schüchternes Kind begleiten: Vom Kleinkind bis ins Jugendalter
„Mein wunderbares schüchternes Kind“ ist in vier große Abschnitte gegliedert. Der Erste widmet sich Schüchternheit im Allgemeinen, die nächsten den drei wesentlichen kindlichen Lebensabschnitten, mit ihren verschiedenen Herausforderungen und Entwicklungsaufgaben: Baby/Kleinkind/Vorschulalter, Grundschulalter und Jugendalter (ab 11J).
Inke Hummel erklärt die Facetten schüchterner (Kinder-)Persönlichkeiten detailliert, und begleitet Eltern durch die unterschiedlichsten Alltagssituationen in jedem Lebensabschnitt: Vom Spielplatzbesuch, über die Kindergarten Eingewöhnung und Spielgruppen, den Schulstart, bis hin zu Arztbesuchen, beängstigenden Situationen zuhause, und der Berufsorientierung im Jugendalter. Die gesammelten Ratschläge vermitteln das Gefühl, hier jederzeit nachschlagen und einen wertvollen Impuls mitnehmen zu können.
„Es braucht Sicherheit und Unterstützung von dir, gute Erfahrungen und ausreichend Gelegenheiten, um diese machen zu können – und es braucht Verständnis, Liebe und Zeit! Denn Entwicklung geschieht nicht über Nacht.“
Hummel, Inke: Mein wunderbares schüchternes Kind. Seite 205.
Im Buch finden sich mehrere Experten Interviews, und viele nützliche Infoboxen, die auch die fachliche Seite beleuchten. Wie schon in „Miteinander durch die Pubertät“, unterstützt Inke Hummel ihre Impulse außerdem durch Elternkommentare von Familien mit schüchternen Kindern.. Psst: Gleich zum Auftakt auf Seite 10 komme übrigens ich zu Wort! Und ich bin stolz mit meiner Stimme, in keinem anderen als diesem Ratgeber über wunderbare schüchterne Kinder aufzutauchen. Inke Hummel schreibt keine Anleitung, wie wir schüchterne Kinder gerade biegen müssten, sondern bestärkt Eltern, ihre schüchternen Kinder zu sehen, anzunehmen und zu bestärken, so, wie es für die Kinder gut ist. Dazu gehört auch manchmal ein Schubs, aber vor allem ganz viel Zuwendung und die Akzeptanz, dass schüchtern sein eben auch okay ist.
Besonders gut gefallen mir auch die Checklisten relativ zu Beginn (Seite 26ff, Seite 30ff), die Eltern konkrete Fixpunkte an die Hand geben, an denen sie sich orientieren und Entwicklungen beobachten können, um Fortschritte oder die Notwendigkeit professioneller Hilfe besser einzuschätzen.
Ich war etwas überrascht, als ich kaum ein Kreuz (mehr) setzen konnte. Vor einem halben Jahr hätte das ziemlich anders ausgesehen.
Zeit lässt wachsen. Gelegenheiten schaffen Erfahrungen, Erfahrungen schaffen Mut. Ich kann das bestätigen!
N ist unheimlich (über sich hinaus) gewachsen seit sie große Schwester geworden ist. Und der Umzug hat den Knoten endgültig platzen lassen. Ich hatte manchmal wirklich Sorge, inzwischen fühle ich, dass wir auf einem guten Weg sind. N ist natürlich immer noch schüchtern, rückversichert sich viel und braucht manchmal (m)eine Starthilfe, aber sie ist nicht mehr so verängstigt und knüpft immer selbstbewusster Kontakte.
Und wo sie noch strauchelt, kriege ich spätestens dank Inkes klaren Worten in ihrem neuesten Buch selbst Rückhalt, mein „wunderbares schüchternes Kind“ zu unterstützen, anzunehmen und zu fördern, wenn sie es braucht.
|Fiona
BEWERTUNG: (+) (+) (+) (+) (+)
Sämtliche Rechte an Zitaten und dem abgebildeten Buchcover liegen bei Verlag und Autor. Transparenz: Das Buch wurde mir kostenlos zu Rezensionszwecken zur Verfügung gestellt. Die Rezension gibt meine persönliche Bewertung wieder.
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