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(Rezension) Jan Abele: „Ich glaub, ich bin jetzt warm genug angezogen“ Und wie viel Helikopter steckt in Dir?

Jan Abele Ich glaub ich bin jetzt warm genug angezogen

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Wie viel Fürsorge braucht ein Kind? Kann es ein zu viel an Fürsorge überhaupt geben? Und wenn ja, wer außer den Eltern und dem Kind, kann bestimmen, wann es genug ist? In „Ich glaub, ich bin jetzt warm genug angezogen. Warum wir (meistens) am besten wissen, was gut für unsere Kinder ist“ geht Jan Abele diesen Fragen nach. Aus dem Blickwinkel eines fürsorglichen Vaters nimmt Abele Stellung zu den Vorurteilen gegenüber den sogenannten Helikoptereltern unseres Jahrhunderts, erzählt aus seiner Kindheit in den 1970er/80er Jahren und kommt zu dem Schluss, dass früher nicht alles besser war.


Jan Abele: „Ich glaub, ich bin jetzt warm genug angezogen“

TITEL: „Ich glaub, ich bin jetzt warm genug angezogen. Warum wir (meistens) am besten wissen, was gut für unsere Kinder ist“ ZUM BUCH

AUTOR: Jan Abele

VERLAG: Eden Books

UMFANG: 240 Seiten – ERSCHEINUNGSDATUM: 04.03.2019

„Eine Mütze trägt das Kind bereits .. lieber noch einen Schal dazu? Oder übertreibe ich jetzt? Und wie wahrscheinlich ist eigentlich der Sturz vom Klettergerüst? Sollte ich mein Kind absichern, oder helikoptere ich dann? Liebe Eltern, lasst euch nicht verunsichern! Nach Gesprächen mit ExpertInnen und intensiver Recherche ist Journalist und Vater Jan Abele überzeugt: Eltern wird viel zu viel Angst gemacht, dass sie mit ihrer Erziehung übers Ziel hinausschießen könnten.

Jan Abele erklärt, warum es richtig ist, achtsam und liebevoll zu erziehen, und hilft uns dabei, wieder unserem eigenen Gefühl zu vertrauen, denn: Wir wissen am besten, was gut für unsere Kinder ist.“

Jan Abele: „Ich glaub, ich bin jetzt warm genug angezogen“ | Klappentext

Helikoptereltern, Na Und? Eltern, hört auf, euch verunsichern zu lassen!

Bestimmt kennt ihr den Begriff Helikoptereltern. Er umschreibt Eltern, die irgendwie näher an ihren Kindern dran sind, als andere Eltern. Eltern, die ÜBERfürsorglich am Spielplatzrand, oder eher neben ihrem Kind am Kletterturm stehen; sofern zu viel Fürsorge eben überhaupt möglich ist. Zugegeben: Auch bei mir ploppt unweigerlich dieses Bild von Müttern und Vätern auf, die ihr Kind in scheinbar ständiger Sorge umschwirren und behüten und sie nicht länger als nötig aus den Augen lassen wollen.

Darüber, wie viel Helikopter in mir steckt, habe ich mir bisher wenige bis keine Gedanken gemacht.

Ist Erziehungsfreiheit nicht dafür prädestiniert, dass den Kindern Freiraum gegeben wird, der keinen Platz für ZU VIEL Fürsorge lässt? Oder sind gerade erziehungsfreie Eltern besonders fürsorglich, wenn sie die Bedürfnisse ihrer Kinder sehen und achten?

Und: Gibt es so etwas wie Helikoptereltern überhaupt, oder ist das bloß wieder eine dieser Eltern-Bashing Umschreibungen für ein individuell völlig normales Verhalten?

Abele jedenfalls empfindet seine Fürsorge absolut normal, und rät Eltern dazu, sich nicht verunsichern zu lassen.

Jan Abele erzieht. Jedenfalls sagt er nicht, dass er es nicht tut, darum geht es in seinem Buch auch erstmal gar nicht. Aber wenn er vom Umgang mit seinem Sohn berichtet, bin ich mir ziemlich sicher, dass wir gut miteinander aus kämen: Kommunizieren auf Augenhöhe, Emotionen ernst nehmen, Kompromissen finden und im Zweifel lieber einmal mehr nachgeben, als in sinnlose Machtkämpfe zu verfallen, die am Ende keinem helfen.

„Kinder brauchen Nähe und die Vergewisserung, sich jederzeit auf ihre Eltern verlassen zu können.“

Jan Abele: „Ich glaub, ich bin jetzt warm genug angezogen“ | Seite 91
Ja Abele Lektüre

Überfürsorge, oder was? Ein bisschen Helikopter steckt doch in jedem von uns

Wie viel Helikopter steckt in mir? Und wäre dieser Wesenszug wirklich verurteilbar? Ist Fürsorge immer gleich Einengen? Sicherlich nicht. Da fallen mir ganz andere Dinge ein, die ich im Umgang mit Kindern schlecht finde. In einigen der Dinge, die Abele in seinem Buch anspricht, finde ich mich durchaus wieder.

Wir würden beide unser Kind nicht schreien lassen. Fragen nach seiner Meinung, stehen für es ein, begleiten jede Nacht das noch-gar-nicht-müde Kind in den Schlaf.

Wir sind aufmerksam, wollen für sie da sein. Wir machen Vorschläge, wenn Langeweile aufkommt, und blinzeln nochmal ins Zimmer, wenn diese besondere Stille aufkommt.

Am Klettergerüst schauen wir lieber etwas genauer hin, wenn unser Kind neue Kletterkünste ausprobiert. Und wir stehen meisten auf wundersame Weise millimetergenau entfernt, um loszuhechten und zu fangen, was abzufangen ist, wenn es doch abrutscht.

In anderen Dingen vertreten wir unterschiedliche Haltungen.

Dass meine Tochter selbstbestimmt zu Süßigkeiten greift, würde Abele vermutlich schockieren. Statt voreilig ärztlichen Rat einzuholen, gehöre ich (mittlerweile) zur ach-das-beobachten-wir-erstmal-noch-ein-paar-Tage Fraktion – schließlich handhabe ich das bei mir genauso. Und während Abele noch überlegt, wie er seinem Kind das Thema Tod näher bringt, habe ich meine Tochter bereits über zwei Hundetode ziemlich sachlich informiert.

Etwas beschämt fiel mir außerdem beim Lesen auf, dass ich mein Handy tatsächlich nicht laut stelle, wenn Nana bei Oma und Opa ist, während Abele über Erreichbarkeit sinniert. Ups.

Insgesamt denke ich, dass Nana wohl ziemlich unumschwirrt aufwächst, was sicher, aber nicht nur, aus der erziehungsfreien Haltung resultiert. Ein selbstbestimmtes Kind braucht Eltern, die vertrauen und Ängste loslassen. Ich glaube aber, es ist weniger eine Frage der (Nicht)Erziehung, als des eigenen Charakters, ob wir unsere Kinder eher enger oder weniger eng durch die ein oder andere Situation begleiten. Ich bin selten ängstlich, was mein Kind betrifft, vielleicht manchmal sogar zu wenig ängstlich. Dafür ist mein Kind wiederum sehr sensibel, und ich dann oft trotzdem näher dran, als ich das FÜR MICH bräuchte.

Ich bin fürsorglich, lieber mehr als weniger, aber nicht unbedingt immer auch vorsichtig. Für mich macht das durchaus einen Unterschied.

Und dann gibt es da andererseits doch auch wieder diese Dinge, bei denen ich mit mütterlichen Adleraugen aufpasse, wo andere locker lassen können. Wie bei allen Eltern eben. Oder ist hier irgendjemand angstfrei? Haben wir nicht alle mindestens diese eine Sache, bei der wir ÜBERvorsichtig werden?

Zum Beispiel wünsche ich mir zum nervlichen Leiden meines Mannes am liebsten Kippschutz an allem und jedem, bei steilen Rutschen hoffe ich jedes Mal, dass Nana sie übersieht, und wenn ihr bester (und älterer) Freund E. auf die Straße zuläuft, bin ich unfassbar nervös, weil er einfach viel weniger berechenbar ist.

Helikoptern auf dem Spielplatz: Ja oder Nein?
Besser doch daneben stellen? Freiraum und Vorsicht sind oft eine Gratwanderung.

Ich denke nicht, dass ein Maß an Fürsorge oder Vorsicht so einfach festlegbar ist. Da kommen viele Einflüsse zusammen. Und nicht umsonst sagt eine Weisheit, dass Vorsicht besser als Nachsicht ist. Wie nah Eltern an ihrem Kind sind, das hat vor allem mit den eigenen Ängsten, Erfahrungen und Überzeugungen zu tun. (Und natürlich mit dem Kind!) Unsere Beweggründe sind, wie wir alle wissen und respektieren sollten, immer individuell. Ich würde nicht gleich zum Arzt eilen, wenn mein Kind über Pojucken klagt, aber ich hatte auch nie einen Wurmbefall. Eltern pauschal zu bewerten, weil sie anders handeln als wir selbst, ist nicht sinnvoll. Abeles Buch habe ich in diesem Sinne vor allem als eins gelesen: Als Einladung, in die Gedanken eines vielleicht etwas mehr fürsorglichen Vaters zu blicken und seine Beweggründe kennenzulernen. Auch wenn ich nicht alles genauso sehe wie Abele, nach dem Lesen des Buches kann ich nachvollziehen, warum er so denkt, wie er denkt.

„Ich bin sehr aufgeklärt darüber, was gut für ein Kind ist und was nicht. Darüber hinaus bringe ich meine Biografie mit.“

Jan Abele: „Ich glaub, ich bin jetzt warm genug angezogen“ | Seite 53

Über Erfahrungen und Aufsichtsmoral: Fürsorge aus der Perspektive von Jan Abele

Abeles „Ich glaub, ich bin jetzt warm genug angezogen“ greift in elf Kapiteln Elternthemen auf, die plakativ für die Helikopterfähigkeit von besonders fürsorglichen Eltern zu sein scheinen. Von Spielplatz über Langeweile und Arztbesuch bis zum Einzelkindprivileg, lässt Abele tief in seine ganz persönliche Einstellung blicken, und erklärt beeindruckend die Zusammenhänge zwischen der Entwicklung von Sicherheitsstandards, Aufsichtsmoral und der neuartigen Fürsorge von Eltern im Gegensatz zu früheren Generationen. Beim Lesen musste ich genauso häufig über den humoristischen Erzählstil schmunzeln, wie innehalten und nachdenken. Und manchmal habe ich auch mit den Augen gerollt. Weil Eltern eben verschieden sind. Weil ich nicht erziehe und Abele schon. Weil wir anders denken und trotzdem ähnlich. Am wertvollsten empfinde ich an dem Buch die Rückblicke in die Kindheit von Abele, die besser als jeder theoretische Ratgeber veranschaulichen, wie die eigene Kindheit uns noch bis ins Elternsein nachhängt.

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Kein Wunder! Da ginge es mir nicht anders! Mehr als einmal kommt dieser Gedanke beim Lesen auf. Gefolgt von der milden Erkenntnis, andere Erfahrungen gemacht zu haben, die mich anders geprägt haben.

Auch Abele schreibt versöhnlich, denn es geht ihm nicht etwa ums Bekehren. Abele plädiert vor allem für eins: Toleranz. Und dafür sich nicht verunsichern zu lassen, wenn jemand anders UNvorsichtiger ist.

Abele erzählt lebhaft und lässt sich sehr flüssig lesen. Jedes Kapitel schließt mit einem kleinen Fazit.

Was mir persönlich nicht gefallen hat, ist die sich wiederholende Gegenposition zu Jesper Juul; was vermutlich daran liegt, dass ich Juul ganz gut leiden kann, und mich eben oft gefragt habe, welche Perspektive mir nun besser passt. Vermutlich ist es am Ende wie so oft eine Mischung aus beiden.

Nein, ich würde mich nicht zu Helikoptereltern zählen. Ob jemand anderes das würde? Das kommt vermutlich auf die Situation an. Ob es überhaupt notwendig ist, Eltern nach dem Maß ihrer Vorsicht und Fürsorge zu messen? Ich denke nicht. Beim Lesen kamen mir einige AHA Momente. Das Nächste mal, wenn ich eine Mutter oder einen Vater sehe, die*der für meinen Geschmack etwas zu sehr um ihr*sein Kind herumschwirrt, werde ich an Abele denken, sie*ihn anlächeln und mich fragen, was wohl dahinter steckt.


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Abele normalisiert das Phänomen Helikoptereltern und zeigt, dass an Fürsorge nichts verkehrt sein kann.

„Ich bin der festen Überzeugung, dass die allermeisten von uns gerade wegen der Fürsorge, der Behütung und der Nähe Kinder in die Welt entlassen, die zugleich empathisch und selbstbewusst sind [ ] Menschen, die Vertrauen in sich und in das Leben haben. Weil sie von Anfang an vermittelt bekamen, welche Vorteile es hat, jemandem partnerschaftlich udn auf Augenhöhezu begegnen.“

Jan Abele: „Ich glaub, ich bin jetzt warm genug angezogent“ | 223

Abeles „Ich glaub, ich bin jetzt warm genug angezogen“ ist ein Plädoyer für Toleranz und achtsame Elternschaft. Ein Buch zum Hineinblicken in die Biografie eines ganz normalen Helikoptervaters. Am Ende fühlt man sich versöhnt, und findet auch gar nicht wirklich falsch, was Abele tut, auch wenn man selber -wie ich- ganz anders mit dem ein oder anderen, oder vielen angesprochenen Themen umgeht. Ich fand die Lektüre sehr interessant und lege euch das Buch gerne ans Herz, wenn ihr „Helikopter“Eltern besser verstehen wollt, oder vielleicht selber daran nagt, ob ihr manchmal zu fürsorglich seid Xx Fiona

BEWERTUNG: (+) (+) (+) ( ) ( )

Jan Abele Ich glaub, ich bin jetzt warm genug angezogen

Das Abbilden und Zitieren wurde vom Verlag genehmigt. Das Buch wurde mir von Eden Books als Rezensionsexemplar zur Verfügung gestellt.

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