Keine Selbstfürsorge ist keine Lösung
Der Tag von Eltern hat zu wenige Stunden. Die Kinder schlafen zu spät, das Baby mittags zu kurz, und keine*r von ihnen will sich tagsüber alleine beschäftigen. Wenn sie es doch tun, vermeldet die Waschmaschine prompt, dass die Wäsche jetzt auf die Leine kann. Nach der Arbeit ist zwar etwas Zeit, aber vorm Kinderholen, sollte lieber noch schnell eingekauft werden. Und wenn abends Ruhe einkehrt, wird fix die Küche aufgeräumt. Die ToDo Liste rattert im Kopf immer mit. Ihr kennt das. Ich kenne das. Obwohl ich es nicht wollte, habe ich mich wieder ganz hinten angestellt mit meinen Bedürfnissen. Dabei ist Selbstfürsorge nicht diskutabel: Keine Selbstfürsorge ist keine Lösung.
Was ist Selbstfürsorge? Die Verantwortung, gut zu uns selbst zu se
Selbstfürsorge heißt, liebevoll fürsorglich mit uns umzugehen und uns selbst Aufmerksamkeit zu schenken. Selbstfürsorge ist nicht egoistisch. Sie heißt, Verantwortung für uns selbst, zu übernehmen. Pausen zu machen und die Bremse zu ziehen, bevor wir gegen die Wand fahren. Das Erfüllen unserer Grundbedürfnisse hält uns „in Betrieb“, Selbstfürsorge geht einen entschiedenen Schritt weiter, und füllt unsere Akkus voll(er) auf!
Sie macht, dass wir uns gut fühlen, und unseren Alltagsstress besser wegstecken.
Also noch ein Punkt auf der sowieso vollen mentalen Liste? Selbstfürsorge soll uns nicht stressen. Und sie soll uns keinen Druck machen, das ist nicht ihr Sinn. Sie soll uns auffangen. Betrachten wir sie nicht als ein ToDo, sondern viel mehr als die Erlaubnis, zu Entschleunigen, und die (unwichtigeren) ToDos auf unserer mentalen Liste mal durchzustreichen.
Selbstfürsorge ist wichtig für uns UND unsere Kinder.
Dass wir uns Zeit für uns nehmen und Dinge tun, die uns ein Wohlgefühl schenken, ist essentiell für unsere psychische Gesundheit. Damit hat sie einen enormen Wert für uns. Und für unsere Kinder ebenso.
Schonmal euer Smartphone an eine nicht aufgeladene Powerbank angeschlossen? Passiert nicht viel. Nur wenn unsere Akkus gut gefüllt sind, können wir auch die Akkus unserer Kinder aufladen. Wir können dann voll für sie da sind, statt halbherzig. Zufrieden, statt ausgebrannt.
Selbstfürsorge schafft die Ressourcen, um geduldig(er), gelassen(er) und lösungsorientiert(er) an Konflikte ran zu gehen.
Stellen wir uns selbst über einen längeren Zeitraum immer hinten an, geht das auf Dauer nicht gut. Wir sind schneller gereizt, von immer kleineren Kleinigkeiten genervt und wollen, dass die anderen funktionieren (um uns nicht weiter zu stressen). Früher oder später fühlen wir uns emotional nicht mehr ausgeglichen und vielleicht auch physisch nicht mehr wohl. Wir merken, dass uns etwas fehlt, aber vielleicht nicht mehr was.
Am besten übernehmen wir als frühzeitig (und regelmäßig) Verantwortung für unser Wohlbefinden und behandeln uns mit Selbstfürsorge. Kein Kind hat etwas von dauergestressten Eltern, aber sehr viel von Eltern, die sich Gutes tun, ihre Grenzen zeigen und wahren, wenn sie nein zum Spielen sagen, weil sie eine Pause brauchen. Auch hier gilt, wie immer: Sie schauen sich alles ab! Auch wenn es um Selbstfürsorge geht, sind wir Vorbilder. Zeigen wir unseren Kindern lieber, dass sie sich hinten anstellen und bis zum Burnout rackern müssen, oder dass es richtig ist sich auch mal eine Pause zu nehmen?
Füße hochlegen, Musik an. Wie Selbstfürsorge aussehen kann
Selbstfürsorge ist, was immer dir guttut, dir Freude macht und dich vom Stress runterkommen lässt. In aller erster Linie geht es also darum, Pause zu machen und unser Ladekabel an eine Steckdose zu stecken, die uns mit neuem Strom versorgt. Wir alle kennen sicher manche dieser Dinge, die wir gerne tun. Manche entdecken wir neu, wenn wir achtsam mit uns sind.
Sport. Musik. Wellness. Lesen. Selbstfürsorge beschwert nicht, sie hat in meinen Augen nichts mit hochgesteckten Zielen und handfesten Ergebnissen zu tun. Ich will mich dabei entspannt und zufrieden fühlen.
Ich mache zB. sehr gerne kreative Dinge, gucke Serien oder zocke an PC/Konsole. Ich schalte dabei ab, bin dabei „woanders“ und kurzzeitig nicht vom Mental Load befangen. Abschalten können, empfinde ich als essentiell.
Mit Mental Load bezeichnen wir die mentale ToDo Liste, die in unseren Köpfen ständig mit rattert.
Niemand kann dir vorschreiben, was Selbstfürsorge für dich ist oder nicht ist. Der eine genießt ein Vollbad, der andere schwört aufs ausgiebige Duschen, für den nächsten deckt beides nur ein nötiges Grundbedürfnis ab. Ich kann mit Maske und Gurke auf den Augen nichts anfangen, aber Legobauen, Puzzlen und Malen sind jederzeit voll meins -Auch mit Kind.
Die höchste Form von Selbstfürsorge ist vermutlich die sogenannte Me Time. Ausreichend Zeit für uns alleine freischaufeln und unseren Hobbies nachgehen, damit tanken wir auf. Aber auch Paarzeit, Familienzeit (!) oder unbelastete Zeit mit Freunden kann uns aufladen und ankern.
Kann Duschen Selbstfürsorge sein? Sicher nicht, wenn wir seit keine-Ahnung-wann-zuletzt-richtig nicht geduscht haben, endlich fix darunter springen mit einem Ohr beim Kind. Dann erfüllen wir uns lediglich (und mehr schlecht als recht) ein Grundbedürfnis. Nehmen wir uns Zeit für eine ausgiebige Dusche, schalten dabei ab vom Alltag (weil zb der*die Partner*in das Kind versorgt), UND fühlen uns wohl, kann Duschen Selbstfürsorge sein.
Kommen wir zum Realitätscheck. Ich bin Mama von zwei kleinen Kindern, u1 und 5Jahre alt. Ich bin zuhause, meine Kinder gehen nicht in den Kindergarten, mein Mann ist von neun bis neunzehn Uhr 5/7Tage die Woche arbeiten. Selbstfürsorge ist wichtig. Das weiß ich, und bekomme es trotzdem nicht jeden Tag damit ausreichend hin.
Was ich aber immer wieder merke, gerade deswegen: Die Sache ist indiskutabel. Bleibe ich mal wieder länger auf der Strecke, wird es auch für die anderen ungemütlich und ich zum „Mamamotzemonster“. Besser für alle also, es gar nicht erst soweit kommen zu lassen.
Bleibt die Frage, wie?
Zeit freiräumen für mehr Selbstfürsorge und weniger Streit
Hilfreich kann es sein Routinen zu etablieren, etwa morgens eine halbe Stunde nach dem Frühstück oder nach dem Mittagessen o.a. Selbstfürsorgezeit einzuplanen. Eine Routine erinnert nicht nur uns daran, uns Zeit für uns selbst zu nehmen, sie gibt auch unserem Kind Orientierung. Während sich MaPa nach dem Mittag regelmäßig Zeit für sich nimmt, ist Zeit zum Alleinespielen, Sticker kleben, Bilder malen, Hausaufgaben machen und so weiter. Oder: Medienzeit. Ja man, macht halt den Fernseher an, drückt ihnen das Tablet in die Hand, und nehmt euch eine Stunde Zeit für euch für euer Hobby (nicht für den Haushalt!). Mag pädagogisch unwertvoll klingen, schadet ihnen aber viel weniger, als am Ende dauergereizte Eltern, die ihnen vorleben, nicht an sich zu denken.
Es soll Eltern geben, die stehen morgens extra vor allen anderen auf, um sich Zeit für sich selbst zu gönnen. – Ich als Morgenmuffel und Eule gehe lieber als letztes ins Bett.
Aber das Kind will sich nicht alleine beschäftigen?! Kenne ich. Meine Große saugt jede Fürsorge auf wie ein Schwamm und möchte am liebsten 24/7 Aufmerksamkeit für sich. Alleinespielen klingt wie eine Strafe für sie. Trotzdem: Nein sagen zum Spielen muss für die eigene Selbstfürsorge manchmal (manchmal öfter) sein. Was uns meistens hilft, ist emotionales Aufladen. Bevor ich meine Tochter ins Alleinespielen entlasse (und mir Zeit für mich nehme um meinen Tank wieder aufzufüllen), beschäftige ich mich also zuerst intensiv mit ihr und tanke sie so auf. Idealerweise ein Kreislauf.
Hol dir Unterstützung! Auch wenn die Großeltern nicht um die Ecke wohnen, irgendwo in deinem Umfeld wird es einen Menschen geben, der dir das Kind abnehmen (oder es wenigstens im Nebenraum beschäftigen) kann, damit du dir etwas Zeit für dich nehmen kannst. Im Zweifel ist ein Besuchskind bei etwas älteren Kindern vielleicht ein Selbstläufer. Oder gleich: Dein Kind besucht eine*n Freund*in. Wechselt euch ab, bildet ein Mütter*Team. Vielleicht leistest du dir auch einen Babysitter. Wie auch immer: Gib dein Kind mal ab! JA das ist erlaubt, und sogar total wichtig.
Selbstfürsorge auf Sparflamme. Wenn das Minimum reichen muss
Machen wir uns nichts vor. Es gibt immer wieder Phasen im Elternleben, da läuft die Selbstfürsorge auf einem absoluten Minimum. Mit Baby, das noch nirgends hinkann. Kleinkind, das nirgends hin will. Mit forderndem*n Kind*ern. Mit viele Kindern. Mit Vollzeitjob. Mit fehlendem Netzwerk. Oder die Königsdisziplin: Allein(nicht)erziehend. Ich habe meinen Partner, ich kann mir nur Vorstellen, wie es sein muss, immer ein Ohr aufs Kind zu haben, weil da einfach niemand anders ist, der das auch mal tun könnte.
DEN EINEN Ratschlag gibt es nicht.
Das Einzige, was ich euch wirklich raten kann: Denkt an euch, so gut ihr eben könnt. Tut, was ihr eben gerade könnt, um euch Gutes zu tun. Me Time, wenn sie in solchen Situationen nur unregelmäßig zustande kommt, klar auskosten, aber uns ein schlechtes Gewissen zu machen, wenn wir gerade keine tägliche Selbstfürsorge Session abhalten können, ist am Ende mehr druckmachend und toxisch, als heilsam. Auch verzweifelnd auf DEN großen Me Time Moment zu warten, kann uns frustrieren.
Stattdessen, wenn die Selbstfürsorge mal wieder auf Sparflamme laufen muss: Bauen wir Selbstfürsorge in den kleinen Dingen in unseren Alltag ein. Vielleicht will unser Kind nicht alleine sein, aber wir können bei ihm*ihr sitzen, lauschen, ausruhen. Gönnen wir uns unsere Lieblingsschokolade. Schätzen wir die kleinen Momente. Legen öfter eine kleine Pause ein, statt auf die große Pause zu warten, die sich derzeit doch nie einstellt.
Mach dir den Alltag WENIGSTENS schön! Ich haue mir gerne Musik aufs Ohr, das erdet mich und vieles geht mir leichter von der Hand, was mich ohne stressen würde.
Priorisiere deine ToDos (vielleicht hilft es dir, sie aufzuschreiben), nimm dir täglich nur eine Maximalanzahl an Dingen vor, oder streiche einen unwichtigeren Punkt ohne schlechtes Gewissen davon runter. Das Wäschefalten kann ganz sicher auch mal warten. Jeder Punkt weniger, den du auf deinen täglichen Mental Load packst, lässt dir Luft für dich.
Es macht auch einen großen Unterschied, wenn wir in der Familienzeit die selbstfürsorglichere Option wählen. Das Kind will raus. Dir hilft Natur beim Abschalten? Dann ist ein Ausflug in den Wald allemal selbstfürsorglicher als der Spielplatzbesuch. Dein Kind will spielen? Schlag wenigstens ein Spiel vor (oder lass dein Kind zwischen Spielen wählen), die du selbst gerne magst. Malt. Macht ein Puzzle. Startet ein Projekt, dass dir auch selber Freude macht. Du brauchst Ruhe, dein Kind Nähe? Wie wäre es mit einem Filmnachmittag mit Lieblingssnack? Oft können wir unser Bedürfnis mit dem unserer Kinder verbinden. Vorher müssen wir nur aufhören, zu glauben, dass Selbstfürsorge GAR NICHT funktionieren kann, wenn sie dabei sind. Ich baue z.B. unheimlich gerne mit meiner großen Tochter Lego (kreatives!), das tankt mich und sie gleichermaßen auf.
Die Kinder werden älter. Die Zeit für mehr Selbstfürsorge wird wiederkommen. Genau jetzt geht vielleicht nur Selbstfürsorge auf Sparflamme, statt regelmäßige Me Time, aber dann bitte wenigstens die, und nicht gar keine.
Keine Selbstfürsorge ist keine Lösung.
Und immer. Immer, wenn nötig, holt euch Hilfe. Wenn ihr merkt, dass ihr Entlastung braucht, dass ihr gereizt seid, und da nicht mehr gut raus kommt, weil euch Zeit für euch selbst fehlt, holt euch Unterstützung, damit ihr wieder mehr Selbstfürsorge betreiben könnt.
Der Aufruf nach Selbstfürsorge nervt? Ja, sicher, er piesackt. Weil Selbstfürsorge oft zu kurz kommt.
Aber nein, wir können wirklich nicht DAUERHAFT auf einem Viertel Akkustand laufen! Auch nicht, wenn wir uns das einreden.
Der Aufruf nach Selbstfürsorge ist die Erinnerung, an das, von dem wir nur allzugut wissen, dass es viel zu oft fehlt und so so sehr notwendig ist: Zeit für uns selbst, und für Dinge, die uns guttun.
Wie oft fehlt uns eigentlich nur der Arschtritt anzufangen, uns die Zeit zuzugestehen? Wirklich wenigstens einmal am Tag NUR an uns zu denken, wenn der Moment da ist, statt wieder einmal die Spülmaschine auszuräumen, die just gerade wieder piept? Ich kenne das. Ihr kennt das. Aber ehrlich, Leute, die kann doch jetzt echt mal bis später warten!
|Fiona