Erziehungsfrei | Selbstbestimmung

Wie Kinder teilen lernen, und warum mein Kind über ihr Zeug (fast) ganz alleine bestimmen kann

Ich glaube, kaum ein Thema ZWISCHEN Kindern hat mehr Konfliktpotenzial als das Teilen. Bei uns ist das Teilen Thema seit etwas über einem Jahr ganz besonders präsent – denn mit dem Familienclan stellten sich E (5Jahre) und A (2Jahre) wie Brüder an Ns Seite. Plötzlich Sandwichkind, so nennt man die Kids in der Mitte doch. Auch wenn sie natürlich keine echten Geschwister sind, und N das Privileg des Einzelkindes ebenso sehr genießen kann – die Drei kommen, so eng wie sie als Freunde aufwachsen, schon sehr nah an dran. Es ist also eine ziemlich wichtige Sache geworden, uns klar zu machen, wie Kinder teilen lernen.

Wobei die erste Frage eigentlich lautet: MÜSSEN Kinder überhaupt teilen lernen?

Tatsache ist: Wir sind nun mal hochgradig soziale Lebewesen und das Teilen in der ein oder anderen Form begegnet uns allen und entwickelt sich irgendwie automatisch. Außer wir wollen als Einsiedler leben. Dann vielleicht nicht. Ansonsten teilen wir schließlich von Beginn an innerhalb der Familie verschiedenste Dinge.

Dass wir uns wünschen, unsere Kinder würden ihr Spielzeug GERNE teilen, ist also nicht verwunderlich.

Ganz so einfach ist das aber nicht.

Wie Kinder teilen lernen

Kinder lernen Teilen in erste Linie durch Beobachtung und Nachahmung.

Hand aufs Herz: wie viele persönliche Dinge teilst du mit Freunden? Wie viele mit Fremden? Was wir von Kindern erwarten, nämlich das eigene Zeug mit dem fremden Kind in der Buddelkiste zu teilen, würde unter Erwachsenen in den allermeisten Fällen (auch) nicht funktionieren. Was sehen Kinder also bei uns?

Wir Großen teilen, wenn wir es als notwendig oder hilfreich einstufen, auch mal mit dem unbekannten Typen auf der Straße, aber in den allermeisten Fällen doch lieber nur mit vertrauten Personen, und auch dann entscheiden wir selbst, WAS wir Teilen. Oder in welchem Umfang. Die Schlussfolgerung: Um teilen zu können braucht es Selbstbestimmung. Entscheidet gar nicht das Kind, sondern die Mutter, wer mit der Schaufel und wer mit dem Sandförmchen (weiter) spielt, wird das Spielzeug (des Kindes!) VERteilt. Aber das ist etwas völlig anderes, als selbstbestimmt sein Zeug zu teilen. Und sorgt für mehr Frust, als es nützt!

Zum Teilen Lernen müssen Kinder zunächst besitzen dürfen. Und dann über ihren Besitz entscheiden.

Um Teilen zu können, braucht es zunächst überhaupt erst mal einen Besitz, über den das Kind entscheiden kann. Und es braucht ein grundlegendes Besitzverständnis, was sich, zumindest bei N, so mit zweieinhalb bis drei Jahren konkreter entwickelt hat. Außerdem braucht es Vertrauen: Vertrauen in die andere Person, ggf. Vertrauen, sein Zeug auch wieder zurückzubekommen. Und die Gewissheit Verneinen zu können.

N und E mit ihren Flohmarkt Einkäufen. Das gehört mir! Wie Kinder Teilen Lernen |Unverbogen Kind Sein

Teilen lernen: Warum Besitzen Voraussetzung fürs Teilen ist

Wenn Kleinkinder anfangen, sich mit Besitzverhältnissen zu beschäftigen, wird erstmal alles MEINS. Und manchmal DEINS, aber nur, wenn das fürs Kind grad okay ist. – N war mit zwei Jahren manchmal sogar ziemlich freudig dabei, die vermeintliche eigenen Sachen zu teilen. Andere Kinder in dem Alter wollen lieber alles, was ihnen gefällt, für sich alleine haben. A. ist aktuell in diesem Alter. Alles seins. Und während E schon durchblickt, dass das nicht stimmt, ist N manchmal verunsichert und befürchtet, sie bekommt nichts ab. Was wir tun können? Begleiten. Immer wieder erklären, wem was gehört, was A. haben kann und was gerade eben nicht. Ihm sanft, aber mit Klarheit abnehmen, was er E einfach aus der Hand gerissen hat. Erklären. Frust auffangen. Grad in dieser sensiblen Phase fand ich es unheimlich wichtig, meinem Kind zurückzumelden: Das gehört dir und darüber kannst zu entscheiden. – Das gehört dem Anderen.

Natürlich können wir auch schon bei den Kleinen ansetzen zu Teilen, nachfragen ob das andere Kind die Schaufel bespielen kann, und mit Rücksicht auf die Reaktion ein paar Sandförmchen ver(!)teilen. Wichtig ist halt, nicht das Kind zu übergehen, wenn es die Schaufel lieber nicht hergeben will. Ich kann dann sagen: Tut mir leid, mein Kind will das gerade lieber nicht hergeben -Und da ist überhaupt nichts verwerflich dran.

Für uns hat es sich in dem Alter noch bewährt eigene Spielsachen mitzuhaben. So waren wir auch nie darauf angewiesen, dass andererseits bereitwillig mit uns geteilt würde. Wenn jedes Kind etwas eigenes hat und erfährt, dass es darüber bestimmen kann, dann kommt der Rest früher oder später von alleine. Darauf haben wir immer vertraut.

Nur wer besitzt, kann überhaupt entscheiden, zu teilen.

Später erst kommt dazu, dass nur wer teilt, positive Erfahrungen und Empfindungen damit verbinden kann. (Selbstredend, dass negative Erfahrungen aber auch eine Scheu verstärken können.)

Wie du dein selbstbestimmtes Kind begleitest: Selbstbestimmt heißt nicht alleine! Zum Beitrag

„Das gehört aber mir!“ Wenn Kinder über Spielzeug streiten, und wie wir schlichten können

Wir haben einen klaren Grundsatz: N entscheidet über ihre (!) persönlichen Sachen selber.

Das heißt nicht, dass wir nie mit ihr darüber reden, E und A oder wen auch immer doch mal mit ihren Spielzeugautos spielen zu lassen, aber letztlich VERteilen wir nichts, was sie nicht von sich aus hergeben will. Und wenn E N genau das Spielzeugauto wegschnappt, dass sie gerade nehmen will, helfe ich ihr.

Andersherum begleiten wir N in ihrem Frust, wenn E sein Lego alleine bespielen will.

Schwieriger gestaltet sich die Sache natürlich unter den echten Geschwistern E und A, wenn die Besitzverhältnisse nicht so eindeutig sind, wie zwischen N und ihren Freunden. Es gibt sie einfach: Der angesammelten Dinge, die den Geschwistern irgendwie gemeinsam gehören, die dann mit Erwachsenen Hilfe (!) situativ gerecht geteilt werden. Zum Ausgleich sollte jedes Geschwisterkind aber mMn immer auch eigene Dinge besitzen, über die es selbst entscheiden kann. Weder sollte das ältere Geschwisterkind ALLES plötzlich teilen müssen, noch das jüngere Kind KEINE ganz eigenen Dinge besitzen dürfen.

In der Theorie klingt die Sache, ob nun zwischen Freunden oder Geschwistern, natürlich wie immer einfacher, als sie es manchmal im Alltag ist.

Spielzeug Teilen | Unverbogen Kind Sein
Eins für dich und eins für mich! Teilen fällt Kindern nicht immer leicht

Bei einem fremden Kind, das kommt und Ns Schaufel auf dem Spielplatz haben will, ist die Sache klar. Aber N, E und A stehen sich sehr nah. Sie befinden sich mehrfach wöchentlich im Kinderzimmer des anderen und fühlen sich da jeweils zuhause. Wir wägen also vieles ab, begleiten, suchen Lösungen und vor allem: Wir sehen hin.

Im Großen und Ganzen spielen die Kinder hier jeder mit den Spielsachen der anderen.

Ein verschließendes „E darf mit GAR KEINES MEINER Autos mehr spielen!“, hat also in der Regel einen Hintergrund. Wut zum Beispiel, oder Angst, dass etwas Neues kaputt geht. Oder sonst ein Frust. Meistens löst sich der Konflikt dann schon, wenn wir hinhören, worum es eigentlich geht, und präsent sind.

Wenn Kinder streiten, können wir ihnen Helfen, indem wir Grenzen benennen und zwischen den Kindern vermitteln.

So sehr unsere Rasselbande auch zueinandersteht und selbst Kleidungsstücke schon geteilt hat, immer wieder passiert es, dass zwei von ihnen dasselbe haben wollen. Oder einer etwas abhaben will von etwas, was der andere grad aber nicht teilen mag. Die Großen kriegen solche Konflikte manchmal auch schon gut alleine gelöst, aber manchmal brauchen sie unsere Hilfe. – Besonders dann, wenn Emotionen hochkochen.

Ich vermittele dann, so gut ich kann. Und ich glaube, das ist unser Job bei dieser Sache. Grenzen der KInder aufzeigen und dazwischen vermitteln. Ich mache Lösungsvorschläge, vom Abwechseln, Aufteilen, Alternativen finden, die das Spielbedürfnis decken, bis hin zum (vorübergehenden) Weglegen des begehrten Spielzeugs. Frage nach eigenen Ideen. Das letzte Wort hat das Kind, dem das Spielzeug gehört. Manchmal ist N dann doch bereit zu teilen, manchmal nicht. Dann bleibt am Ende nur, Frust über die Entscheidung zu begleiten. – Bei A, der aktuell alles erstmal für sich beansprucht, begleiten wir enger und nehmen ihn ggf aus eskalierenden Situationen heraus, wenn die großen zB unter sich spielen wollen.

Immer eine Lösung parat? Über Tage, an denen es nicht rund läuft: Wenn Mama meckert! Zum Beitrag

Lösungsvorschläge machen und auf Augenhöhe bleiben

Im Konflikt gilt als erstes immer erstmal zu betrachten: Wem gehört die Sache, um die es geht. Ich teile klar mit, dass derjenige darüber auch entscheiden kann. Ganz oft reicht das Gesehen Werden, die Bestätigung des Besitzens und Entscheiden Könnens bereits aus, und die Kinder schaffen es doch sich zu einigen. Ganz oft nämlich, so erlebe ich es bei N, sucht sie eigentlich nur Bestätigung über ihre Autonomie.

Bleibt der Konflikt bestehen und kann nicht ohne Hilfe gelöst werden, heißt es für uns: Situation betrachten.

Zwei Faktoren sind dabei für mich entscheidend.

Wie nah stehen sich die Kinder? (Wie stehen sie GERADE zueinander? Ist das nicht Teilen wollen zB Reaktion auf einen anderen Konflikt?) Und: um welche Sache geht es? Bei manchen Sachen ist hier klar, dass N unmittelbar alleine entscheidet, was passiert, bei anderen Dingen, reden wir erstmal darüber.

Lieblingsteile, neue oder aus irgendeinem Grund gerade besondere Sachen kann N IMMER für sich alleine beanspruchen. Genauso Dinge, die sie gerade in dem Moment bespielt, die nicht, ohne Einschränkungen für sie, aufteilbar sind. Bei allem anderen, besonders bei Sachen die zum geimeinsamen Bespielen geeignet sind, sprechen wir darüber, ob teilen nicht doch ok ist. Gemeinsam finden wir dann fast immer eine Lösung.

Oft reicht es schon sicherzustellen, dass das Spielzeugauto in ihrer Lieblingsfarbe nur für sie ist. Dann können ihre Freunde mit den anderen Autos spielen. Und mit dem lilafarbenen nach einer Weile auch.

Teilen, Selbstbestimmen und Besitzen stehen eben in einem engen Zusammenhang.

Ich versuche außerdem, so gut ich kann, präventiv zu handeln. Ich nehme zB drei Schaufeln mit zum Spielplatz, nicht eine. Die Chancen stehen höher, dass sich so eine Lösung finden wird. Bei neuen oder besonderen Sachen frage ich N schon vor dem Besuch, ob es in Ordnung ist, wenn ihre Freunde später damit spielen, oder einen Keks aus der, von der Oma geschenkt bekommenen Packung, haben wollen. Will sie das nicht, einigen wir uns in der Regel darauf, diese Sachen wegzulegen, wenn der Besuch da ist.

Am Ende entscheidet meine Tochter, wer mit ihren Sachen, in welchem Umfang spielen kann.

Es kommt vor, dass sie auf keinen Lösungsvorschlag eingehen mag und dann ist das eben so, und ich nehme E oder A oder wem auch immer nach Möglichkeit das Spielzeug ab, dass N für sich alleine haben mag. An der Stelle geht dann das Begleiten natürlich weiter beim Kind, dass zurückgeben soll. Umgekehrt fordere ich auch N auf, zurückzugeben, wenn E oder A einmal etwas von sich nicht mit ihr teilen wollen.

Einfach? Nein. Behauptet auch niemand.

So richtig eskaliert ist hier aber noch kein Konflikt. Die Kinder teilen und geben auch wieder zurück. Und ich denke, das liegt auch daran, dass Kinder, die von Erwachsenen gesehen und mit ihren Wünschen und Sorgen ernstgenommen werden, das fühlen. Augenhöhe verändert ganz viel an der Wahrnehmung, nicht nur der Erwachsenen, sondern auch der Kinder. Ich erlebe es immer wieder: Fühlt meine Tochter sich verstanden, ist sie eher bereit, sich mit mir Lösungen zu überlegen (wenn nicht gerade noch Hunger, Müdigkeit oder eine emotional aufgeladene (vorangegangene) Situation mit in den Konflikt hineinspielt).



Das gehört aber mir! Teilen Lernen Checkliste

  • Benennen wem die Sache gehört (Besitz anerkennen!) und verbalisieren, was der Konflikt ist.
  • Wie nah stehen sich die Kinder? Je näher, desto eher ist eine Lösung möglich.
  • Spielt eventuell ein vorangegangener Konflikt eine Rolle? Sprecht achtsam darüber.
  • Handelt es sich um ein Lieblingsteil oder spielt dein Kind gerade intensiv damit? Dein Kind entscheidet unmittelbar alleine und Du unterstützt es.
  • Lieblingsteile präventiv schon vor Spielbesuch weglegen.
  • Kann die Sache fair geteilt werden? Gibt es Alternativen? Suche mit deinem Kind/ den Kindern gemeinsam nach einer Lösung. Vermittele zwischen den Kindern. Bleib dabei auf Augenhöhe.
  • Am Ende entscheidet das Kind, dem die Sache gehört. Frust ggf beim anderen Kind begleiten!


Kinder können nur teilen lernen, wenn sie die Chance zu Selbstbestimmung bekommen

Wenn ich sage, dass N nicht teilen MUSS, heißt das nicht, dass wir N Teilen ALS LÖSUNG nicht nah bringen. Durch ihre Clanbrüder kommt sie ständig mit Teilen, Bestimmen und Besitzverhältnissen in Kontakt, und so weit ich das einschätzen kann, auch gut zurecht. – Jedenfalls haben wir hier selten den Fall, dass wir keine Lösung finden. Aber es ist am Ende eben doch ihr Kram, über den sie bestimmt.

Wichtig ist mir, dass Teilen oder nicht Teilen immer ein GEMEINSAMER Entscheidungsprozess ist, keine Entscheidung die von mir ausgeht, indem ich meine Macht über die meines Kindes ausspiele, und eine Lösung wähle, die mir gefällt. Oft überraschen mich die Kinder mit ihren Einigungen. Und sehr oft ist es eben schon das gesehen und verstanden werden alleine, dass den Knoten geradezu verpuffen lässt.

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Ich denke: Kinder lernen nicht teilen, indem wir sie dazu zwingen, zu teilen (weil wenn sie nicht teilen würden, keiner mehr mit ihnen spielen würde oder wir nach Hause gehen etcpp). Sondern, indem sie besitzen, wirklich (!) besitzen dürfen, UND sich selber entscheiden können, zu teilen. Oder eben nicht. Denn Teilen ist nunmal eine freiwillige Leistung. Etwas, was unsere Kinder tun, wenn sie Vertrauen aufbauen, lernen abzuwägen und Konflikte zu lösen. Aber auch die Gewissheit, Nein sagen zu können, ist wichtig. Sie MÜSSEN nämlich nicht teilen. Nicht bedingungslos. Nicht mit jedem. Und nicht all ihr Hab und Gut.

Das ist alles gar nicht so einfach.

Wir unterstützen N, indem wir sie stärken und ihr Problemlösungen auf Augenhöhe vorleben.

Mehr dazu? Bei Elternmorphose habe ich noch einen Beitrag zum Thema Teilen Lernen gefunden, den ich euch hier einfach mal verlinke: Warum Kinder nicht zum Teilen angehalten werden sollten. Wie geht ihr mit dem Thema Teilen um, besonders, wenn ihr mehr als ein Kind habt?

|Fiona

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